Der E-Commerce ist einer der dynamischsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Mit ständig wachsenden Umsätzen und immer neuen technologischen Innovationen entwickelt sich die Branche rasant. Doch in einem so wettbewerbsintensiven Markt können steuerliche Veränderungen schnell Einfluss auf Geschäftsstrategien und Investitionsentscheidungen nehmen. Mit dem Wachstumschancengesetz, das der Bundesrat am 22. März 2024 verabschiedet hat, treten ab 2024 umfassende steuerliche Anpassungen in Kraft. Diese zielen darauf ab, Unternehmen durch Steuervereinfachungen, neue Abschreibungsmöglichkeiten und die Förderung von Innovationen zu entlasten. Gleichzeitig bringt das Gesetz neue Verpflichtungen mit sich, etwa die Einführung der elektronischen Rechnung im B2B-Bereich ab 2025.
Investitionen leichter steuerlich absetzbar
Ein zentrales Element des Wachstumschancengesetzes ist die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung. Zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 2024 können Unternehmen bewegliche Wirtschaftsgüter ihres Anlagevermögens degressiv abschreiben. Dabei darf der Abschreibungssatz maximal das Doppelte der linearen Abschreibung betragen, jedoch nicht mehr als 20 % der Anschaffungskosten oder des Restbuchwerts. Die Steueränderungen beim Wachstumschancengesetz bringen besonders für Unternehmen erhebliche Vorteile, die hohe Anfangsinvestitionen tätigen müssen.
Im E-Commerce, wo Investitionen in Technologien wie automatisierte Lagerlogistik, leistungsstarke Server oder innovative Softwarelösungen erforderlich sind, können Unternehmen so ihre Steuerlast in den ersten Jahren erheblich senken. Zusätzlich erlaubt das Gesetz ab dem 1. Januar 2024 eine 40-prozentige Sonderabschreibung. Diese kann neben der regulären Abschreibung genutzt werden und ist ebenfalls auf bewegliche Wirtschaftsgüter beschränkt. Besonders spannend: Die Kombination von degressiver und Sonderabschreibung ermöglicht es Unternehmen, im ersten Jahr bis zu 60 % der Anschaffungskosten steuerlich abzuschreiben. Für E-Commerce-Unternehmen, die etwa in KI-gesteuerte Bestandsmanagementsysteme oder klimaneutrale Verpackungstechnologien investieren, ist das eine erhebliche Entlastung.
Zukunft der B2B-Kommunikation
Ein weiterer zentraler Punkt des Wachstumschancengesetzes ist die Pflicht zur elektronischen Rechnungsstellung im B2B-Bereich ab 2025. Unternehmen müssen ihre Prozesse so umstellen, dass sie Rechnungen ausschließlich in digitaler Form ausstellen und empfangen können.
Diese Änderung bringt nicht nur eine Vereinfachung der Buchhaltung mit sich, sondern auch neue Möglichkeiten zur Automatisierung. Besonders für große E-Commerce-Unternehmen, die viele B2B-Transaktionen abwickeln, kann die elektronische Rechnung erhebliche Effizienzgewinne bedeuten. Gleichzeitig müssen sich Unternehmen frühzeitig mit technischen Anforderungen und der Integration in bestehende Systeme auseinandersetzen, um potenzielle Umstellungskosten zu minimieren.
Höhere Freigrenzen für Geschenke
Im Wettbewerb um die Gunst der Kunden spielt die Bindung von Bestandskunden eine zentrale Rolle. Wer seinen treuesten Kunden oder Geschäftspartnern ein Geschenk macht, kann diese Ausgaben künftig leichter steuerlich absetzen: Die Freigrenze für Geschenke steigt durch das Wachstumschancengesetz von bisher 35 Euro netto auf 50 Euro netto.
Für den E-Commerce eröffnet dies neue Möglichkeiten, etwa durch personalisierte Angebote oder nachhaltige Giveaways, die Kunden nicht nur erfreuen, sondern auch langfristig an die Marke binden können. Dies stärkt die Kundenbeziehung und kann einen positiven Effekt auf die Markenwahrnehmung haben.
Entlastung für Kleinunternehmer
Für Kleinunternehmer im E-Commerce bringt das Wachstumschancengesetz eine lang erwartete bürokratische Entlastung. Ab dem Steuerjahr 2024 entfällt für sie die Pflicht, eine Umsatzsteuererklärung einzureichen.
Diese Änderung betrifft besonders Einzelhändler, die auf Plattformen wie Etsy oder eBay agieren und sich bisher mit umfangreichen Steuerformularen auseinandersetzen mussten. Durch den Wegfall dieser Verpflichtung bleibt mehr Zeit für die eigentliche Geschäftstätigkeit – ein wichtiger Anreiz, gerade für Neugründer und Kleinstunternehmer, in den E-Commerce einzusteigen.
Mehr Flexibilität in schwierigen Phasen
Nicht jedes Unternehmen schreibt von Anfang an schwarze Zahlen. Das Wachstumschancengesetz bringt hier mit der Neuregelung des Verlustvortrags deutliche Verbesserungen. Verluste können künftig zu 70 % des Gesamtbetrags der Einkünfte mit Gewinnen des nächsten Jahres verrechnet werden – bisher waren es nur 60 %.
Für junge E-Commerce-Unternehmen oder Start-ups bedeutet dies, dass Investitionen in den Aufbau ihres Geschäfts besser abgefedert werden können. Dies schafft Planungssicherheit und erhöht die Bereitschaft, auch größere Projekte in Angriff zu nehmen.
Neue Regelungen zur Forschungsförderung
E-Commerce ist nicht nur Handel, sondern auch eine Plattform für Innovationen. Sei es die Entwicklung neuer KI-Anwendungen zur Kundendatenanalyse oder die Optimierung nachhaltiger Lieferketten – Forschung und Entwicklung (F&E) spielen eine zentrale Rolle. Das Wachstumschancengesetz unterstützt solche Projekte, indem es steuerliche Anreize für F&E-Aktivitäten schafft.
Die genauen Regelungen zielen darauf ab, Unternehmen zu ermutigen, verstärkt in Zukunftstechnologien zu investieren. Für die Branche könnte dies ein entscheidender Faktor sein, um im internationalen Wettbewerb weiter zu bestehen.
Neue Bilanzierungsgrenzen
Ab 2024 werden die Schwellenwerte für die Einnahmen-Überschussrechnung (EÜR) angehoben, was insbesondere kleineren Unternehmen zugutekommt. Die Umsatzgrenze steigt von 600.000 Euro auf 800.000 Euro, während die Gewinngrenze von 60.000 Euro auf 80.000 Euro angehoben wird. Unternehmen, die unterhalb dieser neuen Grenzen bleiben, können weiterhin die vereinfachte EÜR nutzen und sich die aufwendige Bilanzierung ersparen. Dies bringt vor allem für kleinere E-Commerce-Anbieter, die sich oft in einer Wachstumsphase befinden, eine spürbare administrative und finanzielle Entlastung.
Das Wachstumschancengesetz markiert einen wichtigen Meilenstein in der Steuerpolitik Deutschlands. Es entlastet Unternehmen, fördert Innovationen und erleichtert Investitionen – gleichzeitig stellt es Unternehmen vor die Aufgabe, sich auf neue Anforderungen wie die elektronische Rechnungspflicht einzustellen. Für die E-Commerce-Branche bietet das Gesetz eine einzigartige Gelegenheit, Wachstumspotenziale zu nutzen und sich für die Zukunft optimal aufzustellen. Wer die Änderungen frühzeitig integriert und strategisch handelt, wird von den neuen Regelungen profitieren können.